Einheitspatent und einheitliches Patentgericht

Recht

Einheitspatent und einheitliches Patentgericht

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Einheitspatent und einheitliches Patentgericht

Einleitung

Der Patentschutz in Europa steht vor einem Umbruch. Durch Einführung des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) und des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) sollen auf europäischer Ebene die Rechtssicherheit erhöht und der Patentschutz effizienter und kostengünstiger gestaltet werden.

Der Verwaltungsausschuss des EPG hat im Dezember 2022 einen Zeitplan veröffentlicht, wonach das EPG am 01. Juni 2023 die Arbeit aufnehmen soll. Zunächst beginnt am 01.01.2023 eine Übergangsphase, in der sowohl Patentanmelder als auch Patentinhaber grundlegende Entscheidungen zu treffen haben.

Rechtlicher Rahmen

Die Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes in Europa ist aus einer Verstärkten Zusammenarbeit gemäß Art. 20 EUV entstanden. Im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit können Mitgliedstaaten der Europäischen Union außerhalb der ausschließlichen Zuständigkeiten der Union zusammenarbeiten, um eine größere Integration zu erreichen. Als Grundlage für die Verstärkte Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentschutzes in Europa dienen die Verordnungen (EU) Nr. 1257/2012 (Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes) sowie (EU) Nr. 1260/2012 (Übersetzungsregelungen).

Das ergänzende Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) sieht die Errichtung eines gemeinsamen Gerichts (Einheitliches Patentgericht - EPG) für Streitigkeiten über Einheitspatente sowie europäische Patente ohne einheitliche Wirkung (klassische europäische Patente) vor. Das EPGÜ wurde im Februar 2013 von allen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Kroatien, Polen und Spanien unterzeichnet. Staaten außerhalb der EU ist es nicht möglich, dem EPGÜ beizutreten.

A. Einheitspatente

Das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) soll den Patentschutz innerhalb der Europäischen Union vereinfachen und einen einheitlichen Patentschutz in den teilnehmenden Staaten ermöglichen. Einheitspatente können, anders als die bewährten klassischen europäischen Patente, nur im Hinblick auf alle teilnehmenden Mitgliedsstaaten beschränkt oder für nichtig erklärt werden. Dies soll die Rechtssicherheit in den teilnehmenden Staaten erhöhen und Parallelklagen in verschiedenen Ländern, die bei europäischen Patenten regelmäßig auftreten, verhindern. Grundsätzlich wird das Einheitspatent parallel zum klassischen europäischen Patent existieren.

I. Anmeldung eines Einheitspatents

Die Anmeldung eines Einheitspatents unterscheidet sich nicht von dem bekannten Anmeldeverfahren für ein klassisches europäisches Patent.

Jegliche Anmeldung ist beim Europäischen Patentamt (EPA) einzureichen und wird bis zur Erteilung des Patents gemäß dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) behandelt. Nach Erteilung eines europäischen Patents hat der Anmelder nun die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung des Patents einen Antrag auf einheitliche Wirkung zu stellen. Das durch diesen Antrag eingeleitete Verfahren ersetzt in den am EPGÜ teilnehmenden Staaten das bestehende System der nationalen Validierung des europäischen Patents.

II. Kosten eines Einheitspatents

Ziel des neuen Systems ist auch, die Kosten für Patentinhaber zu senken und die Aufrechterhaltung zu vereinfachen. Das Einheitspatent bietet eine Ersparnis gegenüber einem klassischen europäischen Patent, sofern die Erlangung und Aufrechterhaltung von Patentschutz in mehr als drei teilnehmenden Staaten angestrebt wird.

Vorteilhaft ist ferner die einfache Aufrechterhaltung im Fall des Einheitspatents. Hierfür sind die Jahresgebühren für die Aufrechterhaltung in einer einzigen Zahlung an das EPA zu entrichten. Dies ist eine deutliche Vereinfachung gegenüber klassischen europäischen Patenten, für welche die Jahresgebühren an verschiedene nationale Patentämter in verschiedenen Währungen entrichtet werden müssen.

III. Wirkungsbereich eines Einheitspatents

Das im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit entstandene Einheitspatent ist, anders als das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ), nur Mitgliedstaaten der Europäischen Union zugänglich. Die maximal zu erreichende Abdeckung entspricht damit den derzeit 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Kroatien, Polen und Spanien haben das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) nicht unterzeichnet, weswegen in absehbarer Zeit mit einer einheitlichen Schutzwirkung für nur 24 Länder gerechnet werden kann. In einigen Ländern steht jedoch die Ratifizierung des EPGÜ noch aus. Zunächst wird mit einer Schutzwirkung in 17 Ländern gerechnet.

Teilnehmer zum Start des EPGÜ:

Wirkungsbereich eines Einheitspatents
Quelle: EPA

B. Übergangsregelungen

I. Patente im Anmeldungsverfahren

Um eine baldige Nutzung des Einheitspatents im Rahmen eines geregelten Übergangs zu ermöglichen, hat das EPA verschiedene Übergangsmaßnahmen für europäische Patentanmeldungen beschlossen. Diese Übergangsmaßnahmen treten am 01.01.2023 in Kraft. Die Übergangsmaßnahmen betreffen Patentanmeldungen, die die Schlussphase des Erteilungsverfahrens erreicht haben, d.h., für die eine Mitteilung gemäß Regel 71 (3) EPÜ erlassen wurde.

1. Früher Antrag auf einheitliche Wirkung

Ab dem 1. Januar 2023 wird das EPA frühe Anträge auf einheitliche Wirkung annehmen. Frühe Anträge auf einheitliche Wirkung können für europäische Patentanmeldungen gestellt werden, sofern für sie eine Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ ergangen ist.

Frühe Anträge auf einheitliche Wirkung sind online beim EPA zu stellen.

Im folgenden Beispiel wird dargestellt, wie bei einem Erhalt der Mitteilung gemäß Regel 71 (3) EPÜ im Januar 2023 noch eine einheitliche Wirkung für das zu veröffentlichende Patent erreicht werden kann:

Einheitliche Wirkung eines Patents
Quelle: EPA

2. Antrag auf Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung des Patents

Sofern die in der Mitteilung gemäß Regel 71 (3) EPÜ genannte Frist mehr als einen Monat vor Inkrafttreten des EPGÜ endet, kann für die Patentanmeldung ein Antrag auf Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung eines Patents gestellt werden. Dies zielt darauf ab, dass die Erteilung des Patents erst nach Inkrafttreten des EPGÜ erfolgt. Um die einheitliche Wirkung zu erreichen, muss in diesem Fall nach Inkrafttreten des EPGÜ zusätzlich ein Antrag auf einheitliche Wirkung gestellt werden.

Anträge auf Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung des Patents sind online beim EPA zu stellen.

Im folgenden Beispiel wird dargestellt, wie bei einem Erhalt der Mitteilung gemäß Regel 71 (3) EPÜ im September 2022, noch eine einheitliche Wirkung für das zu veröffentlichende Patent erreicht werden kann:

einheitliche Wirkung für das zu veröffentlichende Patent
Quelle: EPA

Für den Fall, dass die Frist der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ kurz vor dem Beginn der Übergangsregelungen endet, besteht die Möglichkeit, eine Änderung der der Patenterteilung zugrundeliegenden Unterlagen beim Europäischen Patentamt zu beantragen. In diesem Fall erginge eine neue Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ mit einer neuen Frist, sodass die Möglichkeit eröffnet wird, einheitlichen Schutz im Rahmen einer der zuvor beschriebenen Übergangsregelungen zu beantragen.

II. Bestehende europäische Patente

Gemäß Art. 83 (1) EPGÜ gibt es eine Übergangszeit von mindestens sieben Jahren (verlängerbar um weitere sieben Jahre), während der Klagen wegen Verletzung bzw. auf Nichtigerklärung eines klassischen europäischen Patents weiterhin bei nationalen Gerichten erhoben werden können. Es besteht also während dieser Übergangszeit noch keine ausschließliche Zuständigkeit des EPG für klassische europäische Patente (Im Gegensatz zu Einheitspatenten, für die ausschließlich das EPG zuständig ist).

1. Opt-out

Für bestehende klassische europäische Patente und klassische europäische Patente, die vor Ablauf der Übergangszeit beantragt oder erteilt worden sind, wird es gemäß Art. 83 (3) EPGÜ die Möglichkeit eines Opt-out geben. Mit einem Opt-out kann die Zuständigkeit des EPG für ein klassisches europäisches Patent ausgeschlossen werden. Ein Opt-out ist allerdings nicht mehr möglich, wenn das Patent Gegenstand eines Verfahrens vor dem EPG ist oder war.

Die Stellung von Anträgen auf Opt-out wird drei Monate vor Inkrafttreten des EPGÜ, also ab dem 01. März 2023, möglich sein. Der entsprechende Antrag ist beim EPG und nicht beim EPA zu stellen. Wichtig ist auch, dass die Möglichkeit eines Rücktritts vom Opt-out besteht („Opt-in“). Ein Opt-in ist allerdings nicht mehr möglich, wenn das Patent Gegenstand eines Verfahrens vor einem nationalen Gericht ist oder war.

Ob es sinnvoll ist, einen Opt-out zu erklären, ist in vielen Fällen eine Einzelfallentscheidung, bei welcher Maikowski & Ninnemann Ihnen gerne zur Seite steht.

Klassisches europäisches Patent

2. Doppelschutzverbot

Sowohl bei der Entscheidung über die Stellung eines Antrags auf einheitliche Wirkung als auch bei der Erklärung eines Opt-out sind besondere Regelungen in Bezug auf das sogenannte Doppelschutzverbot zu beachten.

So ist bisher ein nationales deutsches Patent in dem Umfang unwirksam, in dem es dieselbe Erfindung wie ein parallel erteiltes klassisches europäisches Patent schützt. Demgegenüber kann ein nationales deutsches Patent parallel zu einem europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung in vollem Umfang wirksam sein. Das Doppelschutzverbot, durch das ein deutsches Patent im Umfang eines erteilten klassischen europäischen Patents wirkungslos wird, greift also in solch einem Fall nicht. Das Doppelschutzverbot greift jedoch weiterhin in Bezug auf ein deutsches Patent und ein parallel erteiltes europäisches Patent, für das ein Opt-out erklärt wurde. Auch in Fällen, in denen ein deutsches Patent aufgrund des Doppelschutzverbotes bereits wirkungslos geworden ist, bleibt alles beim Alten – unabhängig von der Erklärung eines Opt-out.

Als Faustformel gilt folglich: Ist das Einheitliche Patentgericht für ein europäisches Patent zuständig, ist ein nach Inkrafttreten des EPGÜ erteiltes nationales deutsches Patent parallel zu dem europäischen Patent wirksam; das Doppelschutzverbot greift nicht. Sind hingegen die nationalen deutschen Gerichte und nicht das einheitliche Patentgericht für ein klassisches europäisches Patent zuständig, so gilt wie bisher das Doppelschutzverbot.

C. Das Einheitliche Patentgericht

Das Einheitliche Patentgericht (EPG; Englisch: UPC) wird das erste Zivilgerecht auf europäischer Ebene sein, welches Entscheidungskompetenz für alle teilnehmenden Mitgliedsstaaten besitzt. Ziel des EPG ist es, die Rechtssicherheit zu gewährleisten und schnellere Entscheidungen über Patentstreitigkeiten zu ermöglichen. Der voraussichtliche Start des EPG ist der 01. Juni 2023.

I. Aufgaben des Gerichts

Das EPG wird für die Entscheidung von Streitigkeiten betreffend europäische Patente mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) sowie klassische europäische Patente (für die kein Opt-out vorliegt) zuständig sein.

Das EPG hat die ausschließliche Zuständigkeit für Streitigkeiten in Bezug auf Einheitspatente (Art. 32 (1) EPGÜ). Für klassische europäische Patente besteht während einer Übergangszeit von sieben Jahren (verlängerbar auf 14 Jahre) eine konkurrierende Zuständigkeit des EPG und der nationalen Gerichte (Art. 83 (1) EPGÜ). Für nationale Patente ist das EPG nicht zuständig.

Aufgaben des europäischen Patentsgerichts

II. Aufbau des Gerichts

Der Aufbau des Gerichts ist in Art. 6 ff. EPGÜ geregelt. Das Gericht besteht aus einem Gericht erster Instanz, einem Berufungsgericht und einer Kanzlei. Das Gericht erster Instanz umfasst eine Zentralkammer, Lokalkammern und Regionalkammern.

Jeder Spruchkörper des Gerichts erster Instanz ist multinational zusammengesetzt und besteht aus drei Richtern. Die Spruchkörper der Lokal- und Regionalkammern setzen sich aus drei rechtlich qualifizierten Richtern zusammen, wobei ein jeweiliger Spruchkörper auf Antrag einer der beiden Parteien um einen technisch qualifizierten Richter erweitert werden kann. Die Spruchkörper der Zentralkammer bestehen aus zwei rechtlich qualifizierten Richtern und einem technisch qualifizierten Richter.

Die Spruchkörper des Berufungsgerichts sind ebenfalls multinational zusammengesetzt und bestehen jeweils aus fünf Richtern; darunter drei rechtlich qualifizierte und zwei technisch qualifizierte Richter.

Spruchkörper des Berufungsgerichts

D. Verfahrensordnung

I. Allgemeines zum Verfahren vor dem EPG

Die Verfahren vor dem EPG umfassen gemäß Art. 52 (1) EPGÜ ein schriftliches Verfahren, ein Zwischenverfahren und ein mündliches Verfahren.

Die Zuständigkeit der Kammern des Gerichts erster Instanz ergeben sich gemäß Art. 33 (1) EPGÜ nach dem Gebiet der tatsächlichen bzw. drohenden Verletzung oder der Lage des Wohnsitzes bzw. der Hauptniederlassung des Beklagten. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, dass sich die Parteien auf die Zuständigkeit einer Kammer ihrer Wahl (inkl. der Zentralkammer) einigen.

II. Verfahrensdauer vor dem EPG

In der Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts (EPG-VerfO) sind die Fristen für die verschiedenen Verfahren festgesetzt. Hieraus ist ersichtlich, dass schriftliche Verfahren am EPG innerhalb von 6-7 Monaten ablaufen sollen. Dazu, wie gewohnte Abläufe des schriftlichen Verfahrens sich nun ändern könnten, berät Maikowski & Ninnemann gerne.

Das sich an das schriftliche Verfahren anschließende Zwischenverfahren dient unter anderem der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und soll gemäß Regel 101 (3) EPG-VerfO innerhalb von 3 Monaten abgeschlossen werden.

Die mündliche Verhandlung soll gemäß Ziff. 7 der Präambel EPG-VerfO normalerweise innerhalb eines Jahres nach Aufnahme des Verletzungsverfahrens stattfinden.

III. Schriftliches Verfahren

Der Ablauf eines Verletzungsverfahrens vor dem EPG ist im Folgenden, inklusive der zu beachtenden Fristen, dargestellt.

Schridtliches Verletzungsverfahren

IV. Zwischenverfahren

Im Anschluss an das schriftliche Verfahren findet das Zwischenverfahren statt. Ziel des Zwischenverfahrens ist es, alle notwendigen Vorbereitungen für die mündliche Verhandlung zu treffen.

Das Zwischenverfahren wird von einem Berichterstatter geleitet. Die Dauer des Zwischenverfahrens ist gemäß Regel 101 (3) EPG-VerfO auf maximal 3 Monate begrenzt.

Im Rahmen des Zwischenverfahrens kann der Berichterstatter beschließen eine Zwischenanhörung abzuhalten. Diese soll gemäß Regel 105 (1) EPG-VerfO, sofern möglich, per Telefon- oder Videokonferenz erfolgen und gemäß Regel 106 EPG- VerfO aufgezeichnet werden.

V. Mündliches Verfahren

Der letzte Abschnitt des Verfahrens wird in Form einer mündlichen Verhandlung abgehalten. Die mündliche Verhandlung wird vom Vorsitzenden Richter geleitet und soll gemäß Regel 113 (1) EPG-VerfO nicht länger als einen Tag dauern. Die mündliche Verhandlung ist gemäß Regel 115 EPG-VerfO öffentlich; es sei denn, es ist im Interesse einer der Parteien oder Dritter oder im allgemeinen Interesse der Justiz oder der öffentlichen Ordnung, diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führen.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung soll das Gericht schnellstmöglich eine Entscheidung in der Sache treffen und diese innerhalb von sechs Wochen schriftlich absetzen (Regel 118 (6) EPG-VerfO).

Verfahren und Entscheidungen des Gerichts bzgl. Schadenersatz, Auskunftsansprüchen oder der Erstattung von Verfahrenskosten können Gegenstand nachgelagerter Verfahrensschritte sein.

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